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Wir haben uns bei einem Gilead-Spielleiter-Workshop über Rollenspiel-Kampagnen unterhalten. Für diejenigen, die nicht dabei waren oder nochmal drüber lesen wollen, gibt es hier eine Zusammenfassung.
Vorlieben und Abneigungen – Der Gruppenvertrag
Nicht alle Rollenspieler haben die selben Vorlieben. Fragt eure Spieler vor und während der Kampagne nach ihren Vorlieben und Abneigungen, im Speziellen
- bevorzugte Genres
- lieber viele oder weniger Kämpfe
- eher abgehoben oder realistisch
- eher Hollywood-Helden oder realistisch tödlich
- eher komplexe oder simple Regeln (oder sogar konkrete bevorzugte Regelsysteme)
- Tabu-Themen (z.B. aufgrund von Phobien oder Darstellungen von Sexualität, nehmt das wirklich ernst)
Versucht bei der Auswahl von Setting und System eurer Kampagne diese Vorlieben und Abneigungen mit einzubeziehen. Wenn ein Spieler überhaupt nicht mit den anderen auf einen Nenner kommt, ist es besser, wenn er/sie nicht mitspielt, auch wenn es wehtut.
Wenn möglich, legt ihnen unterschiedliche Kampagnenkonzepte, die euch selbst gefallen zur Wahl vor.
Auch Spielleiter sind Mitspieler und haben bei der Auswahl ein Mitspracherecht. Aber er/sie ist nicht der/die einzige.
Terminplanung
Besprecht vor der Kampagne wie oft und lange ihr spielen wollt und wie ihr die Termine ausmacht. Regelmäßige Termine (z.B. jeden zweiten Freitag) sind genauso eine Option wie monatlich neu vereinbarte Termine (z.B. über Doodle).
Die meisten Kampagnen benötigen zumindest 1-2 Termine im Monat um sinnvoll zu funktionieren.
Wiederum: Wenn eine Spielerin überhaupt keine Chance auf gemeinsame Termine mit dem Rest der Gruppe hat, bildet die Gruppe lieber ohne sie, aber bietet ihr vielleicht die Möglichkeit an, manchmal bei Einzelterminen mitzuspielen (One-Shot). Erst während der laufenden Kampagne darauf zu kommen, dass es terminlich schwierig wird, schafft mehr Probleme.
Kurzkampagne – Mittlere/Lange Kampagne – Offene Kampagne
Überlegt schon im Vornherein, wie lange eure Kampagne ungefähr werden soll:
- Kurz (Etwa 1 Jahr, gut zum Ausprobieren eines Systems)
- Mittel (Etwa 2-3 Jahre, guter Standard)
- Lang (4-5 Jahre, nur wenn ihr euch sicher seid, dass die Gruppe zusammenbleibt und nicht wegen Studien o.Ä. auseinandergeht)
- Offen: Kein bestimmtes Ende, kann problematisch werden, wenn sie einfach endet weil die Gruppe auseinander geht (Wegen Studien, Jobs, Kindern,…)
Plant bei Nicht-offenen Kampagnen von Anfang an ein, wie die Kampagne endet (z.B. durch den Tod des Oberschurken) und lasst die Gruppe auch spüren, dass sie auf ein episches Ende zusteuert.
Danach könnt ihr eine neue Kampagne starten oder eine neue Geschichte mit den gleichen Helden spielen, in letzterem Fall sollte aber ein Zeitsprung von zumindest einem Jahr im Setting stattfinden um den Erfolg der Helden nicht zu entwerten.
Settingauswahl und Settingbau (Ausblick mit Folgetermin)
Die Wahl des Settings sollte als Gruppenentscheidung aufgrund der Vorlieben und Abneigungen der ganzen Gruppe erfolgen (siehe dort). Der Spielleiter (oder ein anderer Mitspieler) kann ein bestehendes Setting vorschlagen oder das Setting wird erst gemeinsam während der Charaktererschaffung oder sogar erst während der laufenden Kampagne definiert.
Dieses Thema wird beim nächsten Termin vertieft.
Charakterauswahl, Bindungen und Motivation
Baut die Charaktere gemeinsam, nehmt euch einen Abend Zeit dafür.
Führt die Gruppe nicht erst im ersten Abenteuer zusammen, sonst riskiert ihr, dass sie keinen wirklichen logischen Grund haben, nach dem Abenteuer zusammen zu bleiben.
Verknüpft stattdessen die bekannten Hintergründe der Charaktere schon bei der Erschaffung miteinander, wie eine gemeinsame Vergangenheit beim Militär oder eine gemeinsame Kindheit. So haben die Charaktere einen Grund zusammenzubleiben und sich gegenseitig zu unterstützen, auch wenn nicht jedes Abenteuer für jeden Charakter verlockend sein sollte.
Charaktere können zusätzlich noch geheime Hintergründe haben, die nur dem Spieler und der Spielleiterin bekannt sind, aber ein Teil der Hintergrundgeschichte sollte der ganzen Gruppe bekannt sein und sie verbinden.
Verankert die Charaktere im Setting und der Kampagne. Schafft während des Charakterbaus alte Freunde und Feinde, beschreibt aus welchem Dorf oder welcher Stadt sie kommen und warum sie auf Abenteuer ausziehen. All das gibt dem Spielleiter Hinweise, um die Kampagne besser auf die Spielercharaktere anzupassen und damit das Spielgefühl zu verbessern.
Kampagne an die SCs anpassen vs. SCs an die Kampagne anpassen
Entscheidet ob ihr die Charaktere für eine bestimmte Kampagne erschafft (dann sollten sie thematisch passen) oder ob ihr die Kampagne für die Charaktere erschafft (dann können sie vielfältiger sein, sollten aber immer noch zueinander passen).
Der Zug fährt in die Sandkiste – Dramakurve vs. freies Spiel
Grob lassen sich Abenteuer und Kampagne in zwei Richtungen einteilen: Die lineare Geschichte, bei der die einzelnen Punkte, die die Hauptfiguren durchlaufen, festgelegt sind und dem freien Spiel, in der die Spieler weitgehende Handlungsfreiheit in einer offenen Welt haben (vgl. „Open World“-Computerspiele wie Skyrim).
Auch wenn die lineare Geschichte oft als „Railroading“ („Wie auf Schienen“) negativ dargestellt wird, bietet sie die Möglichkeit einer deutlich gezielter aufgebauten Spannung und Dramakurve, während das völlig freie Spiel aufgrund der schieren Anzahl an Handlungsmöglichkeiten und der begrenzten Vorbereitungsmöglichkeiten der Spielleiterin auch manchmal „steckenbleiben“ kann.
Mehr dazu in Folgeterminen.
Episodenkampagne – Geplante Kampagne – Sandbox – Hybride
Aufbauend auf dem vorigen Punkt ergeben sich eine Reihe von groben Kampagnentypen.
Bei der Episodenkampagne werden mehr oder weniger unabhängige Abenteuer aneinandergereiht, die nur durch die Hauptfiguren und vielleicht dem einen oder anderen wiederkehrenden Nichtspielercharakter verbunden werden. Vgl. viele frühere Fernsehserien, bei denen jede Folge für sich abgeschlossen war („Monster of the Week“). Der Vorteil bei einer solchen Kampagne ist, dass sie jederzeit ohne größere Probleme beendet werden kann, wenn die Gruppe Lust auf etwas andere bekommt oder sich die Gruppenzusammenstellung ändert, da sie ja auf kein großes Ziel hinarbeiten.
Bei der geplanten Kampagne bauen die Abenteuer aufeinander auf und steuern auf ein großes gemeinsames Finale hin. Vgl. viele moderne Fernsehserien, die einen großen Handlungsbogen über eine Staffel und z.T. auch darüber hinaus durchziehen.
Das Spielgefühl und Eintauchen in die Kampagne wird intensiver, aber das Risiko ist vorhanden, bei einem vorzeitigen Abbruch der Kampagne mit einem unangenehmen „Cliffhanger“ dazustehen.
Bei einer reinen Sandbox gibt es keinen übergeordneten Handlungsbogen und auch keine konkret geplanten Teilabenteuer. Die Charaktere können sich frei in der definierten Welt bewegen und dabei auf Abenteueraufhänger stoßen oder mit verschiedenen Parteien aneinander geraten. (Siehe auch freies Spiel, Details bei einem Folgetermin). Dadurch ergibt sich eine große Freiheit und das Gefühl, eine echte Welt zu erleben. Der Aufbau einer großen Spannungskurve ist aber ungleich schwieriger.
Oft entwickeln sich einzelne Abenteuer oder Aufgaben in einer Sandbox, die die Spieler und ihre Charaktere besonders reizen schließlich zu einem längeren Handlungsbogen wie bei einer geplanten Kampagne (Hybrid). Es ist dabei wichtig, ein Auge darauf zu haben, für welche Themen wie ein bestimmer Feind, eine bestimmte Gruppe oder ähnliches sich die Spieler besonders begeistern und diese weiter auszubauen.
Regionale Kampagne – Reisekampagne – Hybride
Regionale Kampagne konzentrieren sich auf ein bestimmtes Gebiet, wie eine Stadt mit Umgebung oder ein bestimmtes Königreich. Die Vorteile einer solchen Kampagne sind:
- Starke Bindung der Charaktere an den Ort, er ist ihre Heimat und wenn er bedroht wird, werden sie handeln
- Wiederkehrende Nichtspielercharaktere können leicht eingebracht oder aus dem Spiel genommen werden (indem sie das Spielgebiet zeitweilig oder dauerhaft verlassen)
- Gut für eine Sandbox
Bei Reisekampagnen durchqueren die Spielercharaktere ein wechselndes Gebiet und kehren nicht oder nur selten zurück. Die Vorteile einer solchen Kampagne sind:
- Abwechslungsreich
- Guter Überblick über das Setting
In langen Kampagnen kann auch gewechselt werden, so kann die Gruppe einige Abenteuer in einem Gebiet verbringen und dann weiterziehen.
Kaufkampagne – Kaufabenteuer – Eigene Kampagne
Fertig gekaufte komplette Kampagnen (Vor allem bei D&D, Pathfinder und Das Schwarze Auge verfügbar) scheinen dem Spielleiter auf den ersten Blick viel Arbeit abzunehmen und in einigen Bereichen (Ausdenken von Orten, Personen und Abenteueraufhängern) ist das auch korrekt.
Man sollte aber nicht den
Aufwand unterschätzen, den eine Spielleiterin mit diesen Kampagnen
hat. Es empfielt sich auf jeden Fall, die Kampagne im Vornherein
zumindest einmal durchzulesen um sich nicht zu verzetteln, wenn die
Kampagne in späteren Kapiteln erst gewisse Punkte erklärt.
Außerdem
sollte so eine Kaufkampagne mit den Spielercharakteren verbunden
werden, zum Beispiel indem wichtige Nichtspielerfiguren in den
Hintergrund der Charaktere eingebaut oder durch Figuren aus dem
Hintergrund der Charaktere ersetzt werden.
Abenteuer, die aus einzelnen Kaufabenteuern zusammengesetzt werden sind etwas übersichtlicher, weil größtenteils nur jedes Abenteuer für sich betrachtet werden muss, aber dadurch fehlt es ihnen an einem Zusammengehörigkeitsgefühl. Dieses kann durch ähnliche Schritte wie bei Kaufkampagnen erzeugt werden, was aber den Aufwandsvorteil wieder etwas relativiert.
Komplett vom Spielleiter ausgedachte Kampagnen benötigen am meisten persönlichen Aufwand in Planung und Vorbereitung, bieten aber die Möglichkeit eigene Ideen vollständig zu verwirklichen und die Richtung der Kampagne auch mittendrin zu ändern ohne damit gekauftes Material verschwendet zu haben.
Anpassungen und Konvertierungen (Späterer Termin)
Spielleiter sollten keine Angst davor haben, Teile oder ganze Kampagnen von einem System oder Setting in ein anderes zu übernehmen und neu zu mischen. Bestehende (Kauf-)Abenteuer und -Kampagnen können eine hervorragende Inspirationsquelle für eigene Geschichten sein, auch wenn man die ursprüngliche nicht 1:1 oder nicht mit dem ursprünglichen Regelsystem spielen will.
Dieser Punkt wurde nur kurz angerissen und wird an einem späteren Termin noch einmal genauer behandelt.
Tools: Karteikarten, Word, Obsidian Portal
Bei Kampagnen sollten unbedingt regelmäßige Aufzeichnungen vor und während der Laufzeit der Kampagne gepflegt werden, sonst verliert man als Spielleiter schnell den Überblick über Namen und Zustand von NSCs und Orten.
Karteikarten haben den Vorteil leicht zu transportieren und überall einzusetzen zu sein, es kann bei umfangreicheren Kampagnen aber schwierig werden, ein System beizubehalten.
Aufzeichnungen in Word oder anderen Formaten und Ablegen am Computer bietet mehr Möglichkeiten für Formatierung und Beschlagwortung, hat aber den Nachteil der Abhängigkeit von einem Computer am Spielort.
Noch weiter gehen spezialisierte Rollenspielportale wie Obsidian Portal gehen noch einen Schritt weiter und bieten Wikis und Diskussionsforen und sind online überall verfügbar, aber in einigen Fällen kostenpflichtig.
Es ist also wichtig zu wissen, unter welchen Umständen man üblicherweise spielt.