Das Wunder in den Blutwäldern

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Seit Menschen gedenken liegt das sterbliche Volk in der Fenmark mit den Dunkelelfen im Krieg. Besonders in den Blutwäldern, die ihren Namen den zahllosen Schlachten dort verdanken, sind seit je her Zankapfel zwischen dem Reich und Hir’Biral. Die Bäume dort hatten mehr Kriege gesehen als sie Blätter an ihren Ästen hatten, die Erde mehr Blut aufgesogen, als dass je Regen vom Himmel gefallen war, mehr Zorn und Hass herrschte im Forst, als sonst wo auf dieser Welt.

Man sagt an diesem Ort habe sich der Hass beider Völker mit wilder Magie verbunden und aus der blutgetränkten Erde ein Wesen geformt, das nur die Zerstörung kannte und alles Leben, das sich ihm in den Weg stellte, erschlug, ganz gleich ob Tier, Mensch oder Alb. Bauern die am Rande des Waldes lebten, hörten die Bestie immer wieder röhren und brüllen, Äste brechen und Baumstämme bersten. Von den zahlreichen Soldaten, die der Fürst der Fenmark entsandte, kamen nur wenige zurück, und die, die heimkehrten, hatten einen zerrütteten Geist. Ihrem Gestammel nach war das Wesen eine Bestie aus Lehm, Blut und knorrigen Ästen, das sich aufrecht auf zwei dicken Beinen bewegte und mit Pranken, so groß wie Haustüren, mit denen es mühelos einen Ritter im vollen Harnisch zerquetschen konnte. Keine Waffe konnte dem Ungeheuer etwas anhaben, sie prallten wirkungslos ab oder wurden vom Leib umschlungen und aufgesogen, Magie verpuffte auf dessen schlammigen Haut wie fallender Schnee an einem Feuer. Die unterlegenen Krieger wurden aber Teil seines Leibes.

Ganz gleich, welche Ritterschar der Fürst auch losschickte, niemand konnte das Wesen bezwingen. So wollte es bald niemand mehr wagen. Nicht einmal als der Fürst sich verzweifelt an die großen Helden des Landes wandte und mit Gold und Silber lockte. Eines Tages kam eine Gruppe von fünf Wanderern in die Fenmark, sie hatten von der unbezwingbaren Bestie gehört und wollten sich ihr stellen. Der Fürst schwor sie mit Gold zu überhäufen, doch die Schar lehnte ab. Alleine des Schlachtenruhmes und der Kampfesehre waren sie gekommen, denn sie waren Diener des streitbarsten Gottes Rotarihm. Vom Orden des Kallius waren sie, und wollten, wie ihr Ordenspatron, sich durch ihre Taten des Gottes würdig erweisen.

So zogen die fünf Krieger in den dunklen Forst. Tage lang suchten sie nach der Bestie, erst am vierten fanden sie sie. Heldenhaft warfen sich die Kalliter in den Kampf. Unzählige Hiebe fielen, Schwerter blitzen und Bogensehnen schnalzten. Der Kampf dauerte bereits Stunden, und langsam wurden die Krieger müde, doch nicht das unheilige Wesen. Frisch wie im ersten Augenblick hatte es jedem Angriff getrotzt. Nun drang das Scheusal auf die Helden ein. Einen zermalmte es unter seinen baumstammdicken Füßen, einen zerriss es wie Papier in der Luft. Die verbleibenden drei zogen sich auf einen Felsen zurück, wo das Ungeheuer sie nicht erreichen konnte. Doch ein Entkommen gab es für die Krieger auch keines, sie saßen in der Falle. Dort saßen die drei Recken, zwei Novizen und der Ordensmeister, ein heiliger Mann. Dieser erkannte, dass die Lage aussichtslos war, doch wollte er nicht, dass seine beiden jungen Schützlinge so jäh ihr Leben aushauchen sollten. Also er sann er einen Plan. Er werde sich dem Ungeheuer stellen. Die Novizen, noch keine Krieger des Herrn, verzagte der Mut, bei dem Gedanken, den sicheren Felsen zu verlassen. Er erinnerte sie an die Gebote des Rotarihm, sich nicht selbst zu überschätzen, also soll der Kampf nur dem Meister gelten, seines eigenen Todes wohl bewusst. Die Novizen hingegen sollten die gefallenen Kammeraden bergen, auf dass sie nicht Teil des Scheusals und somit des Frevels an den Geboten Rotrarihms werden.

Gemeinsam versanken die drei Krieger in ein letztes Gebet, dann trat der Ordensmeister der Bestie entgegen. Er stieß einen markerschütternden Kriegsschrei aus und stürzte sich lachend in den Kampf, während die Novizen die Gefallenen vom Schlachtfeld zogen. Da aber wurde das Ungetüm auf sie aufmerksam. Mit einem einzigen Handstreich wischte es seinen Gegner zur Seite, welcher gegen einen Baum schlug und tödlich getroffen zusammensank. Mit schwächer werdenden Augen musste der Ordensmeister sehen, wie seine Novizen über den Leichnamen der Kammeraden standen und um ihr Leben fochten. Da loderte noch ein letztes Mal Kampfesmut in des Meisters Herzen auf. Mühsam erhob er sich und sein Schwert, trotz gebrochener Glieder und mit Rotarihms Namen auf den Lippen stürzte er sich erneut in den Kampf.

Was sich dann zutrug, wird heute als das Wunder im Blutwald genannt. Mit jedem Schritt des Meisters heilten dessen zahlreiche Wunden, mit jedem Herzschlag wurde er stärker. Gleißende, brennende Schwingen sprossen aus seinem Rücken, sein Harnisch erglomm hellrot und golden. Auf dem Haupte zeigte sich ein geflügelter Helm und das Schwert umzüngelten rote Feuerblitze. Der Streitbarste Gott war in seinen Diener gefahren! Hiebe fielen, wieder und wieder, während am blutroten Himmel zornig Blitze zuckten und Donnerschläge den Boden erzittern ließen. Mit einem gewaltigen Hieb zerteilte der fleischgewordene Gott die Blutbestie und ließ sie in einer Explosion aus Licht und Feuer vergehen. Zurück blieb nur der Leib des Ordensmeisters. Seine Novizen hatten den Kampf unbeschadet überstanden und verbreiteten die Kunde vom Sieg ihres Meisters über die Bestie und vom Wunder in den Blutwäldern.