Die zwölf heiligen Lanzen

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Zu einer Zeit, als die Reiche noch nicht geeint waren, da gab es einen guten Schmied. Hendrik war sein Name und er beherrschte das Handwerk Dûgrims beinahe so gut wie der Herr der Esse selbst. Er war kein gläubiger Mann, doch den Gott des Feuers zollte er Respekt. Der Schmied lebte zu einer Zeit als der Krieg mit den Dunkelelfen besonders heftig tobte und viele unter den Blasshäuten litten. Da kam ein adeliger Herr in die Schmiede, der Kleidung nach war er ein Ritter, denn sie war fein, aber nicht mit Schmuck überladen. An seiner Seite trug der Adelige ein Schwert. Damals trugen die Schwerter großer Krieger Namen, die jedem Schmied, der sein Handwerk meisterlich beherrschte und liebte, bekannt waren. Ein Blick auf die Waffe reichte Hendrik und er wusste wer ihm gegenüber stand, es war Waldemar von Walchen, der Markgraf des Landes. Er war ein stolzer und mutiger Krieger, der stets für die Heimat focht. Schon zu Lebzeiten galt der Graf als Held. Und an seiner Seite hing „Halvorn“.

Der Schmied beugte ehrfürchtig das Haupt, dann fragte er: „Herr, wie kann ich Euch dienlich sein?“ „Eine schöne Schmiede hast du da“, antwortete Waldemar. „Der Krieg tobt schlimmer denn je, und unsere Grenzen wanken. Meister Hendrik, Ihr seid der beste Schmied zwischen Sarnbruch und dem Eisenkettengebirge. Ich bitte Euch, fertigt mir zwölf Lanzen für mich und meine Brüder, damit wir weiterhin das Land gegen die Dunkelelfen schützen können.“ Erneut neigte der Schmied ehrfürchtig den Kopf, galt Waldemar doch schon zu Lebzeiten als Held. „Herr, mit Freude werde ich Euch Eure Bitte erfüllen, aber es wird seine Zeit dauern.“ „Ich gebe Euch sieben Tage, dann müssen wir in die Schlacht.“ „Jawohl, Herr. In einer Woche werdet Ihr die besten Lanzen der Menschheit in Händen halten, bei Dûgrim“, gelobte Hendrik. Dann verließ der Markgraf die Schmiede.

Wortlos stand Hendrik an der Esse und blickte in die heiße Glut, und fragte sich still: ‚Wie soll Waffen herstellen, die einem solch hehren Ziel dienen sollen? Meine Werke sind gut, ich weiß, aber eines so großen Kriegers würdig?‘ Von seinem Meister wusste Hendrik, dass dafür kein einfacher Stahl reichen würde. Zwar hatte er Metalle in seiner Schmiede, die sonst kaum wer verarbeiten konnte. Mondsilber, Meteoreisen, Eternium und Sarnbrucher Zwergenstahl, Adamant, aber nichts davon schien ihm geeignet dafür. Ratlos suchte er die nächsten Tage bei den fahrenden Händlern nach dem besten Stahl der bewohnten Welt. So kaufte der Meister Metall aus allen fernen Ländern und aus Übersee, doch die Waffen die er daraus fertige taugten in seinen Augen nichts. Am dritten Tage war Hendrik so entmutigt, da er dem Markgrafen keine gebührende Waffe schmieden konnte, dass er dem Adeligen schon sein Versagen schreiben und ihn bitten wollte, ihn von seiner Pflicht zu entbinden. Der Schmied hatte schon Feder und Papier zur Hand, als ihn der Schlaf übermannte.

Da erschien ihm im Traum Gaurim, einer der Hephaisten Dûgrims, wie er in seiner Schmiede stand. Der Sendbote trat hinaus vor dir Tür, brach einen Teil aus dem Fels vor der Hütte und ging damit zur Esse. Als der Stein glühte, begann Gaurim ihn am Amboss zu formen, und als der Hammer fiel, schrak der Meister aus dem Schlaf. Während ein gewöhnlicher Sterblicher verwirrt gewesen wäre, was dieser Traum zu bedeuten hätte, wusste Hendrik genau, was zu tun war. Der Schmied kannte den Fels, den der Hephaist gebrochen hatte. Es war das Starkhorn, einer der schroffsten Berge der Markgrafschaft. Noch mitten in der Nacht entfachte Hendrik die Esse neu und schürte das Feuer. In die Glut gab er einfaches Eisen aus der Markgrafschaft. Als dieser weiß glühte, verband er die verschiedenen Stücke miteinander. Das Eisen war härter und zäher, als alles was er bisher bearbeitet hatte. Es dauerte lange bis Hendrik den Stahl in die Form gebracht hatte, wie er es sich wünschte. So arbeitete er Tag und Nacht an dem Auftrag.

Im Morgengrauen des siebten Tages war er schließlich fertig, und als der Markgraf die Schmiede betrat, lehnten dort an der Wand zwölf herrliche Lanzen. Jede unterschiedlich gearbeitet, aber von jeder einzelnen ging eine tödliche Schönheit aus. Der Markgraf war zufrieden, und nahm die Lanzen an sich. Zusammen mit seinen Brüdern zog der Held in zahlreiche Schlachten gegen die Dunkelelfen, und jedes einzelne Mal kehrten alle wieder. Nie barst eine, und kein Dunkelelfheer konnte einem Ansturm mit diesen Waffen widerstehen. Denn der Meisterschmied Hendrik hatte aus gutem Grund den schlichten Stahl gewählt. In den Lanzen ruht die Heimat, ein ganzes Land, und genauso wie das Land den Elfen Untertan wird und der Fels nicht durch die Spitzohren bricht, so werden auch nicht die zwölf heiligen Lanzen brechen.

Nach den geschlagenen Schlachten, nachdem die Heimat sicher war, löste sich der Bund der Waffenbrüder auf. Jeder der zwölf Krieger zog fort um andernorts den Menschen zu helfen und ihnen Schutz zu gewähren. Lange stritten sie für das höhere Wohl mit ihren Waffen, nie barst eine Lanze. Nach und nach verstarb ein Ritter nach dem anderen, was aus den Lanzen wurde, weiß heute niemand mehr. Viele zogen aus, um diese heiligen Waffen der Vorzeit zu suchen, doch niemand je fand sie.