König Riddengard im Berge

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Einst lebte ein Hirtenjunge , der jeden Tag die Schafe der Bauern im Dorf auf die saftigen Bergweiden im Finsterkamm trieb. Dort oben hütete er die Tiere den ganzen Tag bis am Abend und kehrte dann mit ihnen ins Dorf zurück, um am nächsten Morgen wieder den Anstieg zu wagen. So kam es, dass er eines Tages, als er wieder in den Bergen die Schafe der Bauern hütete, ein Unwetter aufzog, und da das im Gebirge schnell gehen konnte, hatte der Junge keine Zeit die Tiere zurück ins Dorf zu treiben. Als die ersten Blitze zuckten, stoben die Schafe auseinander und suchten unter Bäumen und Sträuchern und unter Felsvorsprüngen Schutz. Der Hirte versuchte sie beisammen zu halten, konnte aber durch den starken Regen kaum etwas erkennen. Außerdem bekam er es selbst mit der Angst zu tun und suchte Schutz. Zu den Bäumen wagte er es nicht, denn er wusste was ein Blitzschlag dort anrichten konnte. So kauerte er sich an eine nahe Felswand und wollte das Unwetter aussitzen. Da erspähte er einen Spalt im Fels, eine Höhle. Er huschte hinein, um vor dem Regen sicher zu sein. Von dort aus versuchte er seine Schafe zu erspähen, konnte aber keines entdecken, da glaubte er ein Blöken aus tiefer in der Höhle zu hören. Vorsichtig tastete sich der Hirte weiter in den Fels hinein. Zum Glück gab es keine Abzweigungen und der, der immer tiefer hinab ins Herz des Berges führte, war eben. Selbst wenn draußen helllichter Tag gewesen wäre, nach wenigen Metern hätte totale Finsternis den Jungen umfasst. In der Dunkelheit tastete er sich nun fort, auf der Suche nach dem verlorenen Schaf. Plötzlich fühlten seine Finger Metall an der Wand, einen Fackelhalter. So wie er ihn erfasst hatte, fing auch die Fackel Feuer. Geblendet vom jähen Aufleuchten schlug der Junge die Augen nieder, und als er wieder sehen konnte, bot sich ihm ein ungeahnter Anblick. Er hatte den Eingang zu einer gewaltigen Kaverne entdeckt, an deren Wänden nun überall Fackeln brannten und die Höhle in ein rotgoldenes Licht tauchten. Der helle Schein glitzerte an hunderten Tropfsteinen an der Decke und auf dem Höhlengrund wieder. Doch neben all dem war die gewaltige steinerne Tafel mitten in der Kaverne am eindrucksvollsten. Sie war beladen mit Speis und Trank, und wurde gesäumt von hunderten schwergepanzerten Rittern, mit Schwertern gegürtet und in bunte Wappenröcke gekleidet. Sie alle schienen zu schlafen. Ängstlich näherte sich der Hirte der Tafel, in Händen die Fackel haltend, und obwohl jeder Schritt laut von den Wänden wiederhallte, wurde keiner der Krieger auf ihn aufmerksam. Vorsichtig schlich er zum Kopfende des Tisches, Banner hingen links und rechts davon von der Decke. Unter den Schlummernden erkannte der Hirte Wappenröcke großer Herrscherhäuser. Als er schließlich sein Ziel erreicht hatte, hatte er gut hundert Krieger gezählt. Dort am Kopfende stand ein steinerner Thron auf einem Podest, erhoben von den anderen. Und darauf saß eine große Gestalt. Ein Mann mit erbleichten rot-blonden Haar und langem Bart. Das Kinn war ihm, wie im Schlafe auf die Brust gesunken. Auch dieser Ritter war mit einem Schwert bewaffnet und trug einen Wappenrock, der doch prunkvoller war als die anderen. Auf dem Haupt des Mannes ruhte eine Krone aus purem Gold und blauen Edelsteinen. Die Kleidung, Haut und Haar des Königs waren, wie die anderen, von einer feinen Patina aus Kristall überzogen und fast hätte man meinen können, er wäre daraus gemeißelt, hätte er nicht, als der Fackelschein sein Gesicht erhellte, nicht die Augen aufgerissen. Erschrocken stolperte der Hirte zurück, da sprach der König mit tiefer und fester Stimme: „Ist das Ende der Welt gekommen?“, und blickte dabei dem Jungen direkt in die Augen.

„Nein, Herr“, stammelte dieser.

„Dann muss ich noch ruhen.“ Dabei sanken dem Monarchen die Lider. Der Hirte aber nahm die Beine in die Hand und rannte zum Höhlenausgang. Als er ins Freie stolperte, landete er auf der sonnenüberfluteten Weide. In der Ferne hörte er Stimmen, die seinen Namen riefen. Später fanden ihn die Dorfbewohner im Gras sitzend. Sie erzählten ihm, dass sie seit Tagen auf der Suche nach ihm gewesen waren und nicht hatten finden können. Da erzählte der Junge von seinem Erlebnis und zeigte ihnen die Fackel, die er noch immer in Händen hielt. Trotzdem wollte ihm keiner Glauben schenken, denn als er ihnen den Felsspalt zeigen wollte, war dieser verschwunden. Nur der Älteste im Dorf widersprach den anderen und nickte bedächtig.

„Dieser Mann, den du gesehen hast, war König Riddengard, der erste König des Reiches. Er und die tapfersten Recken seiner Zeit ruhen hier unter dem Berge und warten auf das Ende der Welt, um für das Reich, das sie gemeinsam geschaffen haben, einzutreten.“