Väterchen Kerzenschein

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Wenn das Jahr alt wird, und die Nächte immer länger und kälter werden, der Schnee die Häuser, Wälder und Berge mit einer dicken Schneedecke überzieht, dann naht die Wintersonnenwende, das Hochfest der Aurilskirche. Dann wenn der Tag am kürzesten und die Nacht am längsten, so sagt man gehen bei Einbruch der Nacht Dämonen des Zerstörers um, bringen mit ihrem frostigen Odem Kummer, Leid und Schmerz. Es war ein Tag an dem die Menschen es vermieden nach draußen zu gehen, sich in ihren Häusern einschlossen und auch niemanden die Türe öffneten. Als wieder einmal die Wintersonnenwende bevorstand, und die Nacht hereinbrach, da entzündete Oma Linda das Kaminfeuer. Oma Linda war die greise Pflegemutter des Waisenhauses in verstreut liegenden Ortschaft in den Wendelbergen. Seit Jahren hütete sie liebevoll die Kinder verünglückter Bergknappen, denn in den Bergen wurde viel geschürft, oder tagsüber von Familien die nicht selber auf den Nachwuchs achten konnten. Das alte Mütterchen hatte einen krummen Rücken, ein faltiges, aber freundliches Gesicht und war überall in der Gegen bekannt und geliebt, denn sie war die Hebamme des Dorfes, sodass sie nur jeder liebevoll Oma nannte. Als sie damit fertig war und das Feuer kräftig prasselte, brachte sie ihre Kinder zu Bett. Dann setzte sie sich in ihren Schaukelstuhl vor dem Kamin und begann zu stricken. Es dauerte nicht lange, da war das Mütterchen eingenickt. Das Holz knackte in der Glut, und Funken stoben. Einer diese segelte durch die Luft und landete in dem Korb mit den Spänen, die zum Entzünden des Feuers gedacht waren. Kurz darauf begannen kleine Flämmchen zu über das Holz zu lecken, und mit einem Mal brannte der ganze Korb. Erst als die Flammen um sich griffen wurde die Alte munter. Entsetzt sah sie, wie das Feuer sich ausbreitete und vom Gebälg Besitz ergriffen hatte. Hastig weckte sie die Kinder, half ihnen sich schnell anzuziehen, und brachte sie nach draußen. Dort sahen sie wie die Flammen bereits aus dem Dach schlugen. Das Waisenhaus war unrettbar verloren. Die Nacht war bitter kalt, und Oma Linda wusste, dass in den Schatten unheilige Bestien lauerten, hier konnten sie auf keinen Fall bleiben. So nahm sie die Kleinen an der Hand und stapfte zum nächsten Hof. Und als sie dort klopfte und um Aufnahme für die Nacht bat, da wurde ihnen nicht einmal die Türe aufgetan. Denn jeder fürchtete sich vor den Dämonen und Geistern und deren Lügen, sich als Oma Linda auszugeben. So zog die Alte von Haus zu Haus, doch die Antwort blieb überall die gleiche. Daher wollte sie ihr Glück beim letzten verbleibenden Hof versuchen, doch der lag weit abseits und der Weg war auch ohne die Teufel der Wintersonnenwende gefährlich. Dennoch wollte Oma Linda die armen Kinder nicht im kalten Schnee erfrieren lassen, also stapfte die kleine Truppe los. Sie hatten erst den halben Weg hinter sich gebracht, da merkte die Alte, dass hinter den Bäumen Dämonen lauerten. Sie scharte die Kinder hinter sich, und sah die Bestien langsam auf sie zuschleichen. Die Kinder weinten und Oma war starr vor Angst. Das Ende war gekommen. Da hörten sie eine raue Stimme in der Ferne, ganz leise, die fröhliche Verse sang, und hinter dem nahen Hügel drang ein flackerndes Licht her. Verwirrt hielten die Bestien inne und blickten in Richtung des Gesanges. Die Stimme kam immer näher, und auf der Kuppe er schien ein alter Mann. Er trug feste, warme Kleidung und Mütze, ein weißer Rauschebart umrahmte das freundliche Gesicht, und in Händen hielt er eine hell leuchtende Laterne. Zielstrebig hielt der Alte auf die umzingelten Waisenkinder zu, ohne sein Lied zu beenden. Die dunklen Kreaturen aber fauchten und tobten, aber keine wagte es das Väterchen oder die Kinder anzugreifen. Vor dem Lichtkegel wichen sie immer weiter zurück. Als das Väterchen bei den Kindern und der Alten angekommen war, hob er seine Laterne, machte eine fortscheuchende Geste, und befahl: „Husch, hinfort mit euch!“ Kreischend und heulend stoben die Bestien auseinander und flohen in die Finsternis der Nacht. Das Väterchen aber geleitete Oma und ihre Kinder sicher durch den dunklen Wald bis zum nächsten Hof zurück. Als es dort anklopfte und um Einlass bat, da tat ihm der Bauer, zuvor abweisend, die Türe auf, und ließ die Kinder ein. Als sich die Alte bei dem Väterchen für die Rettung bedanken wollte, war dieses schon fast verschwunden, nur hinter der Wegbiegung hörte man den Alten singen und ein Lichtlein tanzen.

Heute feiert man diesen Tag in weiten Teilen des Landes mit Freudenfeuern und Laternenzügen, um die dunklen Dämonen der längsten Nacht und den Winter auszutreiben. Brauch ist es auch, sich als Väterchen Kerzenschein zu verkleiden und von Haus zu Haus ziehen und den Bewohnern eine glückliche Wintersonnenwende zu wünschen.