Von der tausendjährigen Linde und dem Ende der Welt
Im Wagerertal im Finsterkamm im Lande Danbergen liegt das Dorf namens Lindlingen. Das Zentrum des Ortes bildet eine mächtige Linde, mehrere Hundert Jahre alt. Seit je her werden dort Feste abgehalten, die Messen von durchziehenden Geweihten gelesen. Man sagt, dass dort im Schatten des Baumes einst der Heilige Geribald, Heiliger der Kirche der Ferun, eine Andacht gehalten haben soll. Das Zeichen der Herrin erinnert noch heute an diesen Tag, das er dort hinterlassen hatte.
Einst trug es sich zu, dass ein Dieb in das Dorf kam, und die braven Bauern bestahl, die ihn freundlich bei sich aufgenommen hatten. Am nächsten Morgen war er verschwunden, konnte aber in der nächsten Ortschaft gefasst werden. Dort wurde er von einem Bauerngericht für seine Verbrechen verurteilt.
Zur Strafe wurde der Dieb auf den Rücken eines gefangenen Hirsches gebunden, dann wurde das Tier laufen gelassen. Schnell preschte der Hirsch aus der Ortschaft, hinein in den Wald. Zwei Tage später kam er völlig erschöpft nach Lindlingen und brach tot vor der Linde in der Dorfmitte zusammen. Der Dieb auf dem Rücken war tot. Der Gerechtigkeit war Genüge getan, und zur Warnung an alle Diebe schlug man das Geweih des Hirsches an die alte Linde.
All das liegt nun Hundert Jahre zurück, und die Linde ist mittlerweile eintausend Jahre alt. Noch immer ziert das Geweih des Hirsches den Baum. Man sagt, dieser Baum stehe für die Gerechtigkeit, denn seither war nie mehr ein Dieb in Lindlingen gesehen worden. Sollte die Linde aber eines Tages fallen, so wird auch die Gerechtigkeit vergehen und die Welt untergehen.
Nun, sagt man, die Tausendjährige Linde sei gefallen.